Das Bild wurde vor etwa 40 Jahren aufgenommen. Es zeigt eine ältere Frau, die sich in der U-Bahn in New York an einer Haltestange festklammert. Es ist ihr offensichtlich unwohl. Sie ist sorgfältig gekleidet, trägt Halstuch, Mütze, Wintermantel und schwarze Lederhandschuhe. Sie versucht sich buchstäblich unsichtbar zu machen und hält ihr Gesicht so hinter die Stange, dass sie kaum erkennbar ist, ihre Augen blicken ins Leere. Der U-Bahnwagen ist überall mit unleserlichen Sprayereien verunstaltet.
Um die ängstlich stehende ältere Frau sitzen drei Männer, die alle zur Kamera schauen. Ganz hinten links drückt sich ein jüngerer dunkelhäutiger Mann mit Aktentasche und Kopfhörern an die Wand, auch sein Gesicht verrät Unbehagen, er versucht so wenig Platz einzunehmen wie möglich. Rechts knapp hinter der Frau sitzt ein biederer weisser älterer Mann mit Brille und kariertem Hut, er trägt eine Windjacke und hat einen kleinen schwarzen Koffer bei sich. Er schaut ratlos, etwas resigniert in die Kamera. Links und im Sichtfeld der Frau hat sich ein gut gekleideter älterer Mann hingesetzt, er trägt Krawatte, unter seinem Arm klemmt eine Zeitung. Misslaunig blickt er den Fotografen an.
Die Szene ist so stark, dass sie mich heute noch in Bann zieht. Sie hat etwas Gespenstisches, man meint das Schweigen der vier Abgebildeten mit Händen greifen zu können und das regelmässige Rumpeln der U-Bahn zu hören.
Ich frage mich, was geschehen wäre, wenn sich die Frau ganz selbstverständlich neben den jungen Mann mit den Kopfhörern gesetzt hätte und mit ihm vielleicht sogar ein Gespräch angefangen hätte.