Wir kennen sie alle, die klugen Bücher für angehende oder bereits verzweifelte Eltern.
In den sechziger Jahren waren sie voll von Erziehungsratschlägen, deswegen glaubten unsere Mütter und Väter, dass sie nur alles richtig machen müssten, dann würde aus uns schon etwas werden.
In den Neunzigern drehten sich diese Bücher nicht mehr nur um die Eltern und deren Erziehungsstile, sondern um die Kinder. Die Ratgeber waren voll von tollen Bildern der Babyjahre und man lernte alles über die Entwicklungsstufen des Nachwuchses. In den letzten zwei Jahrzehnten boomten Ratgeber voll mit todsicheren Anleitungen wie man Babys zum Durchschlafen bringt und mit Aufzählungen darüber, was man als Eltern alles besser nicht tun sollte.
Obwohl die meisten Elternratgeber ein eher unerfreuliches Leseerlebnis bieten, verkaufen sie sich bestens. Kaum ein Paar, das keines im Büchergestell hat, meist wurden die Ratgeber aber gekauft, bevor die Nächte kurz wurden und danach vergessen. Mit der Realität der Eltern kleiner Kinder hatten sie oft wenig gemein.
Schonungslos ehrlich und wahnsinnig witzig
Einen ganz anderen Ratgeber legt Anna Whitehouse zusammen mit ihrem Partner Matt Farquharson vor. Anna ist Mother Pukka von der gleichnamigen erfolgreichen Blogseite aus England und Matt, Papa Pukka, ist ihr Partner und der Vater ihrer gemeinsamen Kinder,.
In ihrem Buch mit dem ziemlich direkten Titel: Parenting the Sh*t out of Life geht es gleich zur Sache, es geht nämlich um die fast unterträgliche Ambivalenz der Elternschaft, es geht um die Jahre B.C. (Before Child) und um den oft so brutalen Übergang in eine Zeit, in der es buchstäblich um Leben oder Tod geht. Die Ehrlichkeit und Offenheit der Beschreibungen der Zeit als sich die beiden für eine Familie entscheiden und es dann zu Fehlgeburten kommt, trieb mir beim Lesen Tränen in die Augen. Dennoch trägt der flotte Ton immer wieder über schwierige Stellen hinweg und der allgegenwärtige britische Humor der beiden ist oft einfach nur komisch.
So ein schonungsloses und offenes Buch über Elternschaft habe ich noch nie gelesen.
Es ist randvoll mit den unausgegorenen Emotionen der Eltern, mit ihren Ängsten, Freuden, und ihrer Erschöpfung, aber auch mit einem wahnsinnig tröstlichen Pragmatismus.
Und es ist so gut geschrieben, dass man es auch mit riesigen Säcken unter den Augen nach monatelangem Schlafmangel noch mit Genuss liest.
Man muss ja nicht alles lesen
Gerade weil dieses Buch keine elaborierte Kinderpsychologie und keine ärztlichen Ratschläge bietet, bringt es etwas. Es ist ehrlicher als manches Gespräch mit engen Freunden, die auch Kinder haben, es ist offener als wir sonst zu uns selbst sind. Gerade darum sollte man das kleine gelbe Büchlein mit dem unanständigen Titel kaufen und etwas darin lesen.
Egal, ob man sich erst mit dem Gedanken trägt, Mutter oder Vater zu werden, oder ob man bereits über beide Ohren im Abenteuer Familie steckt.
Elternschaft ist nichts für Feiglinge würden Mother Pukka und Papa Pukka sagen. Darum braucht es bei diesem Abenteuer auch wieder mehr Männer, die mit anpacken.
Das Buch ist als e-book erhältlich und sofort lieferbar.
Lynn Blattmann ist Mitglied der Redaktion #geschlechtergerechter