Endlich mal ein feministischer Film, der das Prädikat «feministisch» mehr als verdient (sorry, Barbie). Ich habe mich im Vorfeld absichtlich nicht mit dem Film auseinandergesetzt, da ich wusste, dass ich ihn mir sowieso anschauen werde und so eine Enttäuschung möglichst vermeiden wollte. Ich bin oft enttäuscht, wenn ich sogenannte «feministische» Filme, Theaterstücke, Bücher etc. sehe oder lese. Warum? Weil die Umsetzungen entweder oberflächlich, heteronormativ oder wenig bis gar nicht intersektional sind. Sie richten sich an weisse, privilegierte, heteronormative Frauen wie Sandbergs «Lean In». Don’t love it - at all.
Feminism WTF ist anders, ist inklusiv. Die Macher*innen des Films bzw. der Doku haben ihre Hausaufgaben gemacht: Es kommen diverse Körper zu Wort und zu Bild, der Inhalt ist wissenschaftlich fundiert sowie intersektional gedacht und wird sehr pointiert und kompetent wiedergegeben. Genauer gesagt: Es wird nicht nur über bestimmte Personengruppen gesprochen, sondern es wird mit ihnen und es wird wie sie gesprochen – er ist quasi ein Mini-Seminar zu Antidiskriminierung und sozialer Gerechtigkeit aus intersektionaler Perspektive. Teaser: Gleich zu Beginn wird Kant freundlich auseinandergenommen.
Ich gebe zu, dass ich seit dem Film viele neue Crushes habe, hier meine Top 3: 1. Nikita Dhawan: So eine kluge und eloquente Person, die extrem komplexe Zusammenhänge über Kolonialismus, Heteronormativität und Rassismus in wenigen Sätzen anschaulich erklärt. Blinkendes Herz-Augen-Emoji. 2. Laura Wiesböck: Etwas frei paraphrasiert: «Wenn Männer «von Natur aus» unempathisch sind und ihre Aggression, Impulsivität und ihren Sexualtrieb nicht kontrollieren können, dann müssen wir Machtpositionen definitiv anders besetzen!» Ein verschmitztes Lachen folgt. 3. Maisha Auma: Auma sagt: «Machen wir das Problem konkret: Es geht um die erwartende Wahrnehmung» und meint damit die frühkindliche Erziehung, die bereits wahnsinnig gegendert, vergeschlechtlicht ist. Wir spielen mit «männlichen» Babys anders als mit «weiblichen». Das wurde in Feminism WTF mit einem anschaulichen Experiment gezeigt: Die Teilnehmer*innen tappten in die Geschlechterfalle und passten ihr Spielverhalten aufgrund ihrer Einschätzung des Geschlechtes des Kindes an, indem sie «Mädchen» den Puppenwagen schmackhaft machten und «Jungen» das Auto (Mehr dazu im Film).
Der Dokumentarfilm Feminism WTF erhält von mir 5 von 5 «DEU»-Punkten (Diversity, Equality, Unity) in den Kategorien Intersektionalität, Inklusivität, Reflektiertheit, Pointiertheit und Fachkompetenz.
Das eine oder andere «What The Fuck» (WTF) muss der Differenziertheit zu liebe aber erwähnt werden: Ein WTF gibt es für den primär auditiven, also nicht visualisierten, Zugang zu komplexen Themen, den ich für voraussetzungsreich halte. Abgesehen vom Experiment und dem Privilegiertheitscheck werden die Inhalte eher in der Form von «Vorlesungen» präsentiert. Somit richtet sich die Dokumenation an ein eher gebildetes Publikum (1:0 für Barbie). Ein weiteres WTF gibt es für die Darstellung von weiblichen Körpern mit Waffen und Aggression. Ich denke, ich verstehe den Hintergrund dieser Darstellung («wir smashen das Patriarchat»), sehe sie aber dennoch als eine (zu) simple Umkehrung und damit auch Reproduktion patriarchaler Strukturen. Trotz der WTF’s, bleibt mein persönliches Fazit: I Loved it! Meine Empfehlung also: Schaut euch den Film unbedingt an! Am besten in einer Gruppe, vielleicht sogar mit Schreibzeug und besprecht den Film danach bei Fairtrade Chips und Bio-Bierschorle oder: Schaut euch die Doku einfach mehrmals an.