Was bereitet dir an der Fleischverarbeitung am meisten Freude?
Wenn ich ein ganzes Tier auseinandernehmen kann, beispielsweise ein Reh. Das ist immer ein Highlight.
Ein Reh ist relativ grazil. Eine Kuh hingegen nicht. Wie viel Kraft braucht es, um ein Tier zu zerlegen?
Man braucht eine gewisse physische Robustheit. Aber die Vorstellung, dass man beim Metzgen sehr viel Körperkraft braucht, ist veraltet. Es schadet sicherlich nicht und kann einem zu Gute kommen. Aber wie in vielen Berufen gibt es heute technische Hilfsmittel. Es muss niemand eine ganze Kuh von Hand auf dem Zerlegetisch wenden. Dafür gibt es Vorrichtungen.
Und beim Kochen?
Es braucht sicherlich sowohl beim Metzgen wie auch beim Kochen eine gute Konstitution. Man steht viele Stunden am Tag und arbeitet mit den Händen. Daneben braucht es für beide Tätigkeiten handwerkliches Geschick. Und ein bisschen Köpfchen schadet nie. In der Küche braucht es zudem auch eine grosse Portion Sozialkompetenz und ein wenig Stressresistenz, da wir den ganzen Tag auf engstem Raum zusammenarbeiten.
Das ist sicher nicht immer ganz einfach. Was für eine Chefin möchtest du deinen rund elf Mitarbeitenden sein?
(überlegt). Eine strenge (lacht). Ich versuche, unterstützend und fördernd zu sein, gut zu kommunizieren und klare Anweisungen zu geben. Meine Erfahrung ist, dass es in einer Küche eine relativ starke Führung braucht. Selbstverständlich versuche ich auch, stets ein offenes Ohr zu haben für Zwischen- und Misstöne.
Wenn wir schon bei Misstönen sind: Wie reagierst du, wenn dich jemand «Fräulein» nennt?
Das passiert mir gar nicht. Aber sicher: Sexismus ist leider eine Realität in der Gastrobranche. Ich habe mir meine Arbeitgeber immer sehr bewusst ausgesucht und eher in untypischen Betrieben gearbeitet. In Küchen mit mehr Männern sind schon ab und zu Sprüche gefallen. Die waren aber nie unter der Gürtellinie, und ich kann auch gut zurückgeben.
Dein Frausein wird dir also nicht um die Ohren gehauen?
Ich bewege mich zwar tatsächlich in einem typischen Männerberuf. Persönlich spürte ich das aber kaum, es fällt mir gar nicht auf. Ich musste nicht für meine Position als Frau in einem Männerberuf kämpfen.
Was hältst du von Auszeichnungen wie «Best Female Chef»?
Das finde ich einen riesigen Schwachsinn. Das ist doch erst recht diskriminierend, wenn man die Frauen rausstellt als etwas Exotisches. Weshalb soll die Messlatte für Frauen beim Kochen anders gesetzt werden als bei Männern? Es ist ja nicht wie beim Skifahren, wo die Anatomie eine Rolle spielt.