Dabei ist die Frauenbewegung im Iran schon viel älter. Genau genommen, gab es auch schon vor 45 Jahren am 8. März 1979 Proteste, damals wurden die gleichen Themen wie heute thematisiert.
Anders als die damaligen Proteste hat die aktuelle Freiheitsbewegung international Anklang gefunden. Dass die Bewegung weltweit überhaupt wahrgenommen werden konnte, ist vor allem Organisationen ausserhalb des Irans, wie zum Beispiel «Free Iran Switzerland», zu verdanken. Sie veranstalten Demonstrationen, schreiben Medienmitteilungen und stellen Forderungen an den Bundesrat.
Jasmin Zareh, ein aktives Mitglied von «Free Iran Switzerland», hat sich zum Anlass des Jahrestags von mir interviewen lassen.
Soll man das feiern oder betrauern, dass eine Freiheitsbewegung nun zwei Jahre alt ist?
Dass man den zweiten Jahrestag feiert, zeigt, dass die Bewegung nicht gestorben ist. Natürlich hat es, wie du sagst, diese zwei Seiten. Jedoch ist eine Revolution auch kein Sprint, sondern ein Marathon.
Proteste fanden auch schon vor dem 16. September 2022 statt. Zum Beispiel der Bloody November im Jahr 2019 als die Benzinpreise plötzlich um mehr als das Doppelte gestiegen sind. Was aber positiv auffällt ist, dass die Zeitspanne von einem bis zum nächsten Protest immer kürzer wird.
Was man sicherlich feiern kann, ist dass die Revolution schon in den Köpfen stattgefunden hat. Die Gesellschaft im Iran will den Wechsel. Wären die Leute noch nicht bereit umzudenken, wäre eine Umwälzung des Systems nicht möglich.
Rückblende: Was hat sich in den letzten zwei Jahren Freiheitsbewegung getan?
Im Iran hat sich das Gesellschaftsbild verändert. Dass einige Frauen kein Kopftuch mehr tragen, wäre vor einigen Jahren noch unvorstellbar gewesen. Das Verweigern des Kopftuchs steht nämlich auch symbolisch für das Verweigern des Regimes.
Wirtschaftlich ist es vor allem bergab gegangen. Der Iran befindet sich in einer Hyperinflation.
Durch den neuen Präsidenten Massud Peseschkian werden keine der versprochenen Reformen umgesetzt. Was man politisch aber als Erfolg sehen kann, ist dass die Wahlbeteiligung im Juni 2024 nur bei 40% lag, sogar diese Zahl ist aber wahrscheinlich verdreifacht worden. Denn die Wahlen wurden boykottiert. Das Boykottieren der Wahlen zeigt uns, dass das Vertrauen in die Regierung fehlt.
Die Diaspora hat sich stark verändert. Es ist die erste Bewegung des Irans, die weltweite Wirkung hatte. Das bringt natürlich auch Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Auslandiraner*innen mit sich. Persönlich finde ich das nicht schlecht, da dies Demokratie ist und wir genau das als Ziel für den Iran haben.
Wie ist der Ausblick in die Zukunft?
Momentan liegt der Fokus der Medien auf dem Israel-Palästina Konflikt. Der Iran wird kaum noch thematisiert. Das ist in dem Sinn schade, da das islamische Regime viele Terrororganisationen, unter anderem auch die Hamas, finanziert. Wenn man sich also nicht für das Ende des Mullah-Regime einsetzt, so kommt es auch zu keinem Ende des Nahostkonflikts. Wichtig wäre, wieder mehr mediale Kritik am islamischen Regime auszuüben.
Die Diaspora unterstützt den Iran in der Freiheitsbewegung, soweit sie kann, ist aber lange noch keine Entscheidungsträgerin. «Free Iran Switzerland» hat seine Forderungen formuliert. Eine davon wäre das personalisierte Sanktionieren. Also beispielsweise Richter, die Urteile für unbegründete Hinrichtungen unterschreiben, zu sanktionieren. Die Namen dieser Richter sind öffentlich bekannt, denn sie sind auch noch stolz darauf.
Ansonsten darf die Aufmerksamkeit für die Situation im Iran nicht aussterben. Ich sehe die Bewegung wie ein Feuer. Aufgrund der Umstände ist das Feuer momentan eher Glut. Es ist aber noch nicht ausgelöscht. Durch die weltweite Aufmerksamkeit kann das Feuer wieder stärker entfacht werden.