Sprache flow 1 Inklusive Sprache – Kolumnen

Let the inklusive Sprache flow

Sexuelle Identitäten sind fluid. Sexualität ist fluid. Auch Sprache war, ist und wird immer im Fluss bleiben.

Fluid bedeutet, dass etwas, zum Beispiel sexuelle Identitäten oder Vorlieben, nicht ein für alle Mal festgelegt sind, sondern sich entwickeln, verändern, neu definieren und neu erfinden. Scary? Eigentlich nicht, denn es erlaubt uns allen - TUTTI QUANTI - im Fluss zu bleiben und «Sache, wo halt immer scho so gsi sin» zu überprüfen und bei Bedarf neu zu justieren. Fluid heisst auch, dass ich mich nicht an jede alteingesessene Norm anpassen muss, mich nicht in vorgefertigte binäre Förmchen quetschen muss, sondern auch neue, grosszügigere Förmchen mitgestalten kann, in die ich schmerzfrei hineinpasse, oder das mit den Förmchen auch ganz sein lassen kann.

Diese Beispiele zeigen, dass auch die Sprache schon immer im Fluss war: Das «Fräulein» - eine diskriminierende Bezeichnung für kinderlose, unverheiratete Frauen - ist fast vollständig aus unserem Sprachgebrauch verschwunden (btw: für Männer gab es sowieso nie ein Äquivalent). In Schweden wurde 2015 das geschlechtsneutrale Pronomen «hen» (they, nicht «es»!), neben den bereits existierenden Pronomen «hon» (sie) und «han» (er) offiziell eingeführt – der erste Versuch zur Einführung von «hen» reicht sogar bis in die sechziger Jahre zurück.

Sprache ist Wandel. Sprache ist Repräsentation.

Durch «hen» werden beispielsweise Menschen sichtbar, die sich mit «sie» und «er» nicht identifizieren können oder wollen. Das heisst, eine grössere Vielfalt von Menschen wird durch dieses Pronomen repräsentiert und damit als bedeutsamer Teil der Gesellschaft markiert.

Im deutschsprachigen Raum gibt es (noch) kein offizielles Pendant zu «hen», aber es gibt sprachliche Möglichkeiten, um die Vielfalt von Geschlechtsidentitäten per se wertzuschätzen und gleichzeitig Menschen, die sich nicht (mehr) binär verorten können und möchten - wegen Fluidität und so - , sichtbar zu machen. Als non-binäres Pronomen wird u.a. «they/them» zu «dey/dem» eingedeutscht, statt «Guten Tag Frau [Nachname]», lässt sich «Guten Tag [Vorname Nachname]» formulieren. Anstatt «Wissenschaftler haben entdeckt» können wir «Wissenschaftler*innen haben entdeckt» sagen und schreiben (betont wie «Spiegelei»: Wissenschaftler(kurze Pause)innen). Warum eigentlich nicht «Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler»? Ganz einfach: Diese sogenannte Beidnennung ist eine binäre Konstruktion und Repräsentation, sie stützt eine heteronormative Weltordnung und greift zu kurz. I want more! Lassen wir also die Sprache flowen, wie sie schon immer geflowt ist. «Dey/Dem», neutrale Anreden wie «Guten Tag Vorname/Nachname», der Asterisk (*) machen überdies nicht nur Menschen sichtbar, die sich nicht in der Zweigeschlechtlichkeit verorten, sie machen auch deutlich, dass Geschlecht ein Kontinuum ist, ein Sowohl-als-auch und kein Entweder-oder. Wie Genderforscher*in Villa Braslavsky natürlich richtig bemerkt, ist inklusive Sprache kein magisches Allheilmittel gegen alle Formen von Ungerechtigkeit, aber ein wichtiges Element, um Gleichberechtigung sprachlich sichtbar zu machen. In diesem Sinne: Let the Sprache flow and make the Vielfalt of sexuelle Identitäten hör- und sichtbar.

Tschau tschau und mit Löv, dein*e Kolumnist*in Sabrina.

Sabrina Lisi 971

Dr. Sabrina Lisi ist Dozentin und Forscherin an der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz und Expertin für Resilienz und Diversität. Wenn Sie Fragen haben, die sie gerne in dieser Rubrik beantwortet haben möchten, dann melden Sie sich hier.

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