Sex Education, oder etwas unsexy: Sexualpädagogik ist die am meisten unterschätzte Disziplin der Bildungsarbeit. Gute Sex Education, also solche, die von oder mit Expert*innen altersgerecht ausgearbeitet und durchgeführt wird, bewirkt mittlere bis grosse Wunder für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Das gilt natürlich auch für Erwachsene.
Sexuelle Bildung thematisiert unsere Körper, unsere Grenzen, sie spricht auch davon, mit wem wir Beziehungen eingehen, wen wir wie lieben und es geht um die Frage, wofür wir Verantwortung übernehmen können oder müssen. Sexualität reduziert sich daher nicht bloss auf sexuelle Praktiken, sie berührt alle Facetten unserer Identität.
Die britische Erfolgsserie «Sex Education» zeigt dieses komplexe Zusammenspiel von Sexualität und Identität sehr schön: Weil die Schule keine adäquate sexuelle Bildung auf dem Programm hat, eröffnen Maeve und Otis kurzerhand selbst einen florierende Peer-to-Peer-Sextherapiedienst auf der baufälligen Toilette im Schulgelände. Auch wenn dieser Dienst bestenfalls als semi-professionell bezeichnet werden kann, erfüllt er seinen Zweck: Die Jugendlichen fühlen sich gesehen und anerkannt, was sich positiv auf ihr ganzes psychisches Wohlbefinden auswirkt. Anders formuliert: Sex Education macht Menschen resilient. Resilienz heisst so viel wie, trotz erheblichen Schwierigkeiten, zum Beispiel Ausgrenzungen in der Schule, psychisch gesund zu bleiben. Solche Schwierigkeiten kennen Personen aus der LGBTIQ-Community nur zu gut: «Du bist nicht okay», «Du musst dich anpassen». Dazu kommen nicht selten Diskriminierungen, was ihre psychische Gesundheit stärker belastet.
An alle (LGBTIQ-)Leute da draussen: Nein, gar nichts müsst ihr. Ihr seid okay so wie ihr seid, unabhängig eurer Geschlechtsidentität, eurer Geschlechterrolleninterpretation oder euren sexuellen oder asexuellen Vorlieben.
Good News für Pädagog*innen: Je mehr Raum Themen der Sexualpädagogik in der Schule gegeben wird, das heisst, je besser Kinder und Jugendliche Bescheid wissen über ihren eigenen Körper und seine Grenzen, je mehr sie auch um die Grenzen anderer wissen, desto weniger wahrscheinlich werden sexuelle Übergriffe und sie werden nicht mehr so häufig verschwiegen. Und umso mehr merken Kinder und Jugendliche, dass sie, so wie sie sind, okay sind, sie gehören dazu und dürfen sich selbst sein. Das ist ein verdammt wichtiges und gutes Gefühl, das uns gesund hält. Es stärkt auch unsere Resilienz. Meines Erachtens besteht das ultimative Ziel der Schule darin, den Schüler*innen das Gefühl zu vermitteln: Ich fühle mich wohl, ich gehöre hierher. Dann entfalten sich Fähigkeiten und Interessen wie von selbst.